![]() Wer vor dreissig Jahren und mehr mit dem Cevi in einem Ferienlager am Feuer gesessen war, kennt jenes Lied, in dem in übertragenem Sinn von Farben gesungen wird. Lieder verbinden; wir singen zurzeit zwar nur hinter vorgehaltener Hand oder mit getragenen Masken. Doch Lieder verbinden. Sie tun dies besonders dann, wenn wir uns beim Singen an besondere Ereignisse erinnern. Die Zeit am Lagerfeuer ist bestimmt ein solches Ereignis. «Mini Farb und dini» sangen Kinder lauthals. Gut möglich, dass sie nicht genau verstanden, was es hiess, wenn im Lied ein Francesco wegen seiner Herkunft geplagt wird. Gut möglich, dass sie den Zusammenhang zwischen den Lebensbildern und dem Regenbogen nicht so scharf erkannten. Dennoch sangen die Kinder: «Mini Farb und dini, das sind zäme zwei; weereds dreivierföifsächssiebe, wo gärn wetted zämeblibe, git’s en Rääägeboge…». Das ist lange her. Heute sind jene Kinder erwachsen; einige davon haben selbst Kinder, vielleicht adoptierte, vielleicht zusammen mit dem Partner gleichen Geschlechts… So überspannen die Regenbogenfarben ganze Welten; und sie lassen uns erkennen, dass das einzigartig gleissende Licht – in einem Prisma gebrochen – alle erdenklichen Farbtöne sichtbar macht. Das ist Diversität pur; denn, wie der Regenbogen, so entfalten sich auch Lebenskonzepte in einer grossen Vielzahl: «Mini Farb und dini», neu gesungen.
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![]() Offenbar gibt es das: Ein Mensch leidet unter dem Eindruck, nicht beachtet zu werden und verschafft sich in Gesprächen darum besonders viel Platz. Er gestikuliert und wirft mit Argumenten um sich, ruft und lärmt. Doch damit provoziert er, von den andern nicht beachtet zu werden. Darunter leidet dann der Mensch, weil er nicht beachtet wird und verteidigt sich - bis auf den letzten Platz. Und genau da sitzt er nun: auf dem letzten Platz. Modewörter sind nicht nur Geschmacksache. Sie sind hin und wieder Resultate von Sprachverwirrungen und absonderlichen Versuchen, etwas auszudrücken, wofür sie aber nicht stehen können. Oder was soll ein Trialog sein? Es suggeriert, ein solcher sei breiter angelegt als das vermeintlich verwandte Wort Dialog. Dia-Log stünde dann für "Gespräch-zu-Zweien". Ist es aber nicht.
Die Stärke eines Dialoges ist daran zu erkennen, wenn er neue Sichtweisen ermöglicht. Dialog geht durch - dia - durch vermeintlich unverrückbare Positionen hindurch. Dialog lässt neue Lösungen zu. Da braucht's keinen Trialog und keinen Tetralog. Eines bleibt in jedem Fall: einen Dialog muss man wollen. Da helfen die wildesten Begriffe nicht. Man muss ihn wollen: ehrlich, aufrichtig und mit der Einstellung, dass alles auch ganz anders werden kann. Menschen von hier mit Menschen von dort – das gibt Stoff für Gespräch. Einheimische nennt man die Einen, Migranten die Andern. Also, die die schon in der neunten Generation im Dorf leben einerseits, und die die erst im neunten Monat hier sind andererseits. Es gäbe da noch weitere Namen für "die von hier" und für "die von dort" - auch Stoff für weitere Gespräche. Wie wäre es, die Einheimischen hiessen Eingeborene, und die Migranten hiessen Eroberer? Oder noch einmal anders: die Einheimischen hiessen Insassen, und die Migranten hiessen Befreier? Für Gesprächsstoff wäre gesorgt: Denn in jedem Fall ginge es darum, sich als Gemeinschaft neu zu verstehen, neue Identitäten zu bilden, sich gemeinsam einer Sache annehmen und gemeinsame Sache machen im Dienste einer einzigen und gemeinsamen Gesellschaft. Das wäre ja wie Weihnachten: mit mittellosen Hirten und mit Black-Color-Weisen. Ach, und da kämen - nicht so nebenbei - auch weitere hinzu: Männer, Frauen, Queers, Asexuelle, Transgender, Intersexuelle, Hartgesottene, Weichgeklopfte, solche mit Dünkel und andere ganz dunkel, Eingewanderte und Eingebildete, Unterjochte und Geisselnde, Lautlose und Obertönige, Vertriebene und Angetriebene, Besitzergreifende und Obdachlose… Ach Weihnachten. Da gab's doch ein Lied mit dem Anfang: "Ich steh' an deiner Krippe hier". Und dieses Lied - mein Weihnachten - dieses Lied kann singen, wer will, wer mag und wer darauf hofft, endlich alles abzulegen. Und einfach: Mensch sein.
„Rassismus“ ist verpönt
Dahinter steht nämlich die Idee: Die einen Menschen sind weniger wert als die anderen. Deshalb werden sie benachteiligt, gemieden, oder gar unterdrückt. Das ist Rassismus und es ist gut, ihn als solchen zu entlarven Ich finde es auch gut, dass man jene in Schranken hält, Die andere Menschen wegen ihrer Rasse beleidigen Denn davon bin ich überzeugt: Wir sind Menschen, einfach: Menschen. Aber so klar ist das offenbar nicht: Denn da sind am Tisch von Konferenzen viele Staaten, Die den Rassismus bei sich nicht ausgelöscht haben Ich denke an: Die USA mit ihrer Geschichte der unterdrückten Schwarzen, China mit seiner Geschichte um Tibet, Israel mit seinen Palästinensern oder Palästina mit seinen Israeli, Den Sudan mit seinen Muslimen im Norden und seinen Christen im Süden, Australien mit seinen Aborigines (warum benennt man sie lateinisch?), Belgier mit ihren Wallonen und Flamen, Deutsche mit ihren Ossis und Wessis – und Türken, Und selbst Zürcher mit ihren Städtern und Land… Moment mal: Geht es hier noch um Rassismus? Ich meine: Zu Ende gedacht: Ja! Denn überall da gibt es Menschen, die benachteiligt werden wegen ihrer Herkunft. Denn überall da gibt es Menschen, die sich über andere erheben wegen ihrer Herkunft. Und im selben Land getrennt zu leben scheint wichtiger, als sich zu verbinden und zusammen zu leben. Unterschiedliche Herkunft, gewiss. Aber wir eine gemeinsame Zukunft Manche meinen: So einfach ginge das nicht: sich verbinden Ich finde: O doch, das geht! ![]() Wieder funkelt die Welt auf, erfreut sich im Norden an den lichtervollen Nächten und an den langen Tagen im Süden. Ob nördlich oder südlich des Äquators: Die Nächte werden erhellt, zuweilen taghell ergrellt, zuweilen zwischenzeitlich eingedämmert, zuweilen verlässlich verdunkelt, auf dass wieder Licht werde. Rund um die Welt gibt es die eine wiederkehrende Erfahrung: Weihnachten begann in der Nacht. Fast jeder amerikanische Film erzählt vor Weihnachten herzerweichend von den auseinander gedrifteten Freunden und Familien, die sich durch die Nacht der gefühlten Kälte hindurch zum gemeinsamen Licht vortasten. Fast jedes europäische Buch berichtet von Menschen, die im Adventsschnee knietief und nach Wärme tapsend auf der Suche nach der Einen sind: nach Liebe. Weihnachten beginnt in der Nacht; das scheint entscheidend. Im Film und im Buch – und vermutlich rund um die Welt – ringen Menschen in der Nacht um ihre Entscheidung, sich verändern zu wollen, es doch anders anzupacken, sich mit jemandem zu versöhnen oder zumindest sich wieder zu respektieren. Das ist Nacht, tiefe, kalte Nacht - und sei es eine symbolische, persönliche Nacht, Krise im Dunkeln. Weihnachten beginnt in der Nacht? Aus der Krise geboren? Das ist nicht bloss die Geschichte eines Knirpses, dessen Grösse niemand zu erahnen vermochte. Das ist nicht die Idee zwischen Aufwand und Ertrag, das ist nicht das Rezept von Einsatz und Gewinn. Sondern das ist Vertrauen darauf, dass es den Menschen dämmern wird und man zumindest sich selber einen Anfang setzt. Die Menschen in Film und Geschichte versuchen dies und hoffen, nicht in die Irre zu gehen. Da gibt es welche, die entscheiden sich, aufzubrechen und Licht ins Dunkel und somit in die Welt zu bringen. Heute mag man dieses Phänomen Vorbild zu Visionärem nennen. Da gibt es andere, die sich entscheiden, nicht Star zu werden, sondern andern ein Stern zu sein. Aber eben: nur Vor-Bild. Das ist nur die Skizze dessen, was eigentlich gemeint ist. Ich bin nur die Skizze, ein Entwurf. Die Andern sind es, die die Vision und die Orientierung verkörpern und die dazu gerufen werden, wiederum weiterzugeben, was sie sie erhalten haben und zum Ganzen beitragen sollen. Das entfacht Licht in der Nacht. Das ist entscheidend an Weihnachten. Ob es dämmert? Kürzlich am Zürcher Bellevue - Schöner Blick - auch auf Unvorhergesehenes: Geht eine Dame - es hätte auch ein Mann sein können - über die Tramgleise. Wollte gehen; denn zwischen den Schienen reisst ihr die Papiertüte. Frische Beeren und andere Lebensmittel kullern über das Trassee. Fährt ein Tramchauffeur mit seiner Cobra los und schubst die Lücke zwischen Tram und Kuller-Beeren weg, nähert sich unaufhaltsam den Menschen, die beim Auflesen helfen, grinst und schubst und fährt nah auf. Behände Hände helfen und eine dargebotene Tasche hilft dem Malheur beiseite.
Und der Fotograf, der alles verfolgte, hält alles fest im Bild. Für die Nachwelt zur Erheiterung? Wie auch immer: Die Kritik an der Foto ist wohl letztlich die: Warum machte der Fotograf die Foto, wo er doch besser mitgeholfen hätte? Die Geschichte ist wahr - die Foto echt - und die Beeren am Boden. Trotz alledem: Es sind nur Pixel, die aneinenadergereiht ein Ganzes ergeben. Alles andere ist nur zu glauben - oder nicht. ![]() Wer endlose Diskussionen kennt, kennt auch das leide Thema, wem das letzte Wort gehöre. Denn nach dem letzten Wort sei Schluss, fertig Schluss. An Familien-Tischen gehört der Kampf um das letzte Wort zum verbalen Handgemenge. Wer das letzte Wort habe, dem gehöre auch der endgültige Entscheid, heisst es. Ob dies einfach eine biographische Behauptung oder eine gestützte Theorie ist? Jedenfalls ist über das letzte Wort wohl noch längst nicht das letzte Wort gesprochen oder geschrieben. Und das letzte Wort ist auch nicht wirklich gefragt; besser wären vorletzte Wörter, solche die noch offen lassen, dass es auch anders sein könnte. Dazu gäbe es zumindest ein stereotypes Gegenwort nicht, es sei das Letzte, was man dazu je gehört habe. Die Geschichte ist wohlbekannt: Menschen versuchen zuweilen, Ereignisse zu verstehen, in Raum und Zeit und im Leben anderer wie dem eigenen wie auch immer einzuordnen. Auch politisch. Ist das gut oder schlecht? Genau so geht die Geschichte. Und sie zeigt sich immer wieder von neuer Perspektive, wenn man sie anders bedacht hat. Ist das gut oder schlecht? Hat eine Geschichte irgendwann nicht doch eine objektive Wahrheit oder kann zumindest einen Anspruch darauf erheben?
Ferien in Mecklenburg-Vorpommern; traumhaft gelegene Küste an der beinahe unberührten Ostsee Deutschlands. War mal anders. War mal Eigentum der DDR. Nicht für das Volk bestimmt, sondern für die Elite. War mal anders. Von den Russen für militärische Zwecke vereinnahmt; gutes Übungsgelände, abseits Sonden Städten. War mal anders. Kamen die Grüne nach der Wende und sagten, dieser einzigartige Ort gelte es zu schützen. War mal anders. Die Geschichte erfährt keine Wende, wohl aber die Menschen in ihr. Weise, wer nicht zu schnell die Wahrheit für sich beansprucht. Man könnte eine Wende verpassen. Unter Umständen auch eine bedeutsame. ![]() Massai sind grossgewachsene Afrikaner. Ein stolzer Stamm. Ihre Kultur ist geprägt von Viehzucht. Und sie bedeutet: Eine Kuh zu besitzen ist der Stolz der Familie und ein Zeichen des Wohlstands. Es gibt Massai, die leben in den USA. Mindestens einer von ihnen lebt in New York. Und einer tat dies auch am 11. September 2001. Wie Zigtausende überlebte er den Anschlag auf die Stadt. Als er später seine Heimat besuchte, war er das Ereignis schlechthin; denn alle wollten wissen, wie es war: Und er erzählte seinen Leuten von New York. Die Massai im Dorf erschraken darüber. Es war eine Geschichte von Angst und Zerstörung. „Wo Angst herrscht, soll man trösten. Wo zerstört wurde, soll man helfen.“ So dachten sie und fragten sich sogleich: „Was können schon wir für die Menschen in New York tun?“ Obwohl sie nicht in den USA waren, wollten sie es: etwas tun für die Menschen in der großen Stadt. Doch wie? Sie hatten ja beinahe nichts, was für Stadtmenschen wichtig wäre. Was sie hatten, waren Kleider, Hütten, Speere und Kühe. Kühe sollten es sein. So schenkten sie vierzehn Kühe den Menschen in New York, ihren persönlichen Wohlstand, ihren Stolz der Familie, ihre Würde. Gewiss, ein skurriles Bild, wenn man es sich vorstellt: Vierzehn Kühe in den New York’s Strassen. Aber die Massai haben sich zu dieser Hilfe entschieden. Sie haben ihre eigene Kultur, ihre eigenen Werte; und sie haben ihr bestes Stück geschenkt. Wozu es helfen mag? Ja, wozu helfen mitten in einer Not tröstende Gesten? Wozu eigentlich? |
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